Würdigung der Arbeit und Dank der Gemeinde
Lieber Stephan,
Erste Begegnung
am 22. November 2017 habe ich hier in der Johanneskirche den ersten Gottesdienst besucht. Er war im Schaukasten ausgeschrieben mit „Ökumenischer Gottesdienst zum Buß- und Bettag“ und das „ökumenisch“ hat mir mir Mut gemacht, hier einen Fuß in die ‒ schwer zu findende ‒ Tür zu setzen. Du wirst Dich an diesen Gottesdienst vermutlich auch erinnern. Nicht meinetwegen, aber es war – abgesehen vom Bewerbungsgottesdienst – auch Dein erster Gottesdienst hier. An diesem Abend wurdest Du vorgestellt als der neue Pfarrer, der ab Februar die vakante Pfarrstelle besetzen wird. Du hattest den Gottesdienst kurzerhand übernommen, weil Du an dem Abend Zeit hattest. Ich weiß noch, was Du gepredigt hast, und ich kann mich auch nach fast fünf Jahren – was in meinem Alter keineswegs mehr selbstverständlich ist – an unsere ersten gewechselten Worte erinnern. An der Ausgangstür verabschiedest Du mich mit „Schön, dass Sie da waren.“ Ich antwortete: „Schön, dass ich da sein durfte. Ich bin ja katholisch.“ Du strahltest mich an und sagtest: „Wie schön! Das ist gelebte Ökumene.“
Gelebte Ökumene
„Gelebte Ökumene“. Damit fing unser gemeinsamer Weg hier in der Joha an. Gelebte Ökumene, das steht für mich für das, was uns alle verbindet, für Glauben, der gelebt werden will und soll, und für Leben, das vom Glauben geleitet und getragen wird. Unser Glaube und unser Wirken in der Welt ist nicht tot, darf nicht tot sein. Überall dort, wo wir ins Handeln kommen, wo wir in Beziehung mit anderen stehen, erfahren wir Gottes Nähe. Glaube ‒ das sind keine toten Buchstaben auf dem Papier, Glaube, das ist Lebendigkeit. „Das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz“ (nach Mk 2, 27) ‒ da waren wir uns immer einig.
Klare Haltung
Dass es viel Lebendigkeit, vielfältige Beziehungen, viel Veränderung, aber auch viele Herausforderungen gab in der Joha in Deiner Zeit hier ist unverkennbar. Damals, 2017, hätte keiner von uns beiden gedacht, dass ich Dich heute als Vorsitzende des Kirchenvorstands verabschieden darf und muss. Und das fällt mir nicht leicht. Mit nur wenigen Menschen habe ich in so kurzer Zeit ein so großes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Und das gilt ja nicht nur für mich. Deine Art, auf Menschen zuzugehen, sie zu stärken und zu stützen und das richtige Wort zur richtigen Zeit zu finden ist eine besondere Begabung. Dass Du Dich darüber hinaus um Antworten auf alle Fragen, die Dir gestellt werden, bemühst, seien sie noch so fern, eine klare Haltung zu den Problemen unserer Zeit hast, ohne Menschen zu bevormunden, dass Du für die Anliegen, die Dir wichtig sind, kämpfen kannst, auch das ist ein Markenzeichen von Dir. Als Beispiel nenne ich gerne die Klimaanlage für die Kita, die wir ohne Deinen Einsatz vermutlich immer noch nicht hätten.
Lebendige Gemeinde
Als Du mir im März mitteiltest, dass Du die Joha verlassen wirst, hatten wir uns auch darüber unterhalten, dass hier anfangs vier, fünf Menschen zum Gottesdienst kamen. Jetzt sind wir eine lebendige Gemeinde mit einem festen Stamm von regelmäßigen Gottesdienstbesuchern, vielfältigen Gottesdiensten und gut besuchten Andachten. Besonders schön finde ich auch, dass unter den regelmäßigen Gottesdienstbesuchern Menschen aus anderen Gemeinden sind, evangelische und katholische. Das ist für eine Nicht-Innenstadtkirche nicht selbstverständlich. Auch das zeugt davon, dass die Joha lebt. „Gelebte Ökumene“ – immer noch.
Neue Ideen und Konzepte
Bis die Corona-Pandemie kam, war diese Lebendigkeit buchstäblich zu sehen und zu fühlen bei unseren 2‑in‑1 Familiengottesdiensten, der Krümelkirche, den Konfi-Tagen, beim lebendigen Mittagstisch „Dreierlei“, den „Wir-sind-Eins“-Gemeindefesten und vielem mehr. Vieles davon hast Du eingeführt, Ideen anderer hast Du immer unterstützt und immer hast Du ermuntert, Dinge einfach mal auszuprobieren. Im Umfeld der Joha konnte und kann man wachsen, in jedem Alter, und das ist wunderbar. Dass Du Teamer für die Konfi-Arbeit gewinnen konntest und sie sehr gerne mit Dir gearbeitet haben, ist in meinen Augen ein besonderer Verdienst. Kirche ist mehr als „langweiliger Sonntagsgottesdienst“, das haben sie durch Dich gelernt und ich würde mich freuen, wenn sie es hier in der Joha oder an anderer Stelle so weitergeben.
Corona-Pandemie
Bei all dem, was gelungen ist, ist es kaum zu fassen, dass der zeitlich größte Teil Deiner Arbeit hier unter Corona-Bedingungen stattfinden musste. Die Pandemie hat vieles erschwert, manches durchkreuzt, manches neu ermöglicht, hat uns Dinge ausprobieren lassen und oftmals hat sie einfach nur genervt. Keine Familiengottesdienste, weil die Kirche zu voll würde, Festtagsgottesdienste nur nach Anmeldung, Kontaktnachverfolgungen, Diskussionen an der Kirchentür über Sinn und Zweck von Masken und Handdesinfektion, Abendmahl wie und in welcher Form, Gottesdienste streamen oder nicht (und wenn ja – wie?), all das und vieles mehr hat viel Kraft gekostet Bei all dem galt es, die Gemeinde irgendwie zusammen zu halten, die Menschen zu schützen und gleichzeitig niemanden auszuschließen. Zum Schutz und aus Verantwortung für die Menschen, denen Du begegnest, hast Du konsequent Maske getragen, und das tust Du bis heute. Auch das entspricht dem, was ich eingangs erwähnte – Deiner konsequenten Haltung.
Institution Kirche
Aber auch ohne Corona ist sehr deutlich spürbar, wie die Lebendigkeit, die wir uns alle wünschen, wie Ideen und Umsetzungen allzu oft daran scheitern, dass ein viel zu großer Anteil von dem, was wir hier an Arbeit einbringen, durch Verwaltung, Vorschriften und Formulare aufgefressen wird. Ich selbst merke immer mehr, dass Verkündigung (als Prädikantin) und Verwaltung (als Kirchenvorstandsmitglied) nur schwer zusammen passen. Mein Herz hängt an der Verkündigung, die Verwaltung mache ich, weil es jemand machen muss. Die Verteilung der Aufgaben ist aber umgekehrt proportional. Unter der Situation hast Du auch gelitten, und viele andere tun es ebenfalls, egal ob Haupt- und Ehrenamtliche. Das ist kein zukunftsweisendes Konzept, das muss man deutlich sagen. Und die Zusammenlegung von Gemeinden zu Nachbarschaftsräumen wird an dieser problematischen Struktur nichts ändern.
Dank und offene Türen
Aber für Dich ist das jetzt aber erst mal alles Geschichte. Du darfst Dich auf neuen Aufgaben in der Schule freuen – als evangelischer Schulpfarrer, Religionslehrer und Schulseelsorger. Das ist eine tolle Aufgabe. Uns hier bleibt nur, Dir zu danken und Dir zu versichern, dass unsere Türen immer für Dich offen stehen. Zum Gottesdienst, zur ehrenamtlichen Mitarbeit, als Gemeindeglied. Danken möchten wir aber auch Euch, liebe Kristine, liebe Merle, lieber Jan. Es war und ist nicht immer einfach, den Ehemann und Papa mit Kirche und Gemeinde zu teilen, das wissen wir und das wissen wir auch zu schätzen. Vielen Dank für Euer Zurückstecken und Eure Geduld! Wir wünschen Euch sehr, dass Familie und Beruf auf der neuen Stelle besser vereinbar sind.
Gottes reicher Segen
Lieber Stephan, „Menschen begleiten, Gemeinschaft stärken, Identität stiften“ ‒ dieses Motto hast Du in die Joha eingebracht, und dieses Motto wirst Du auch mit in die Schule nehmen und dort umsetzen, da bin ich sicher. Wir, der Kirchenvorstand, die gesamte Gemeinde und alle Anwesenden wünsche Dir dazu alles Gute und Gottes reichen Segen. Möge er Dich weiterhin beschützen und behüten und Dein Wirken in Segen verwandeln.
Für den Kirchenvorstand und die gesamte Johanneskirchengemeinde
Birgit Schmidt