Konfirmandenarbeit in Pandemiezeiten
14 Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie die Teamer Annika, Celina, Erik und Lucas absolvierten am vergangenen Samstag (22.01.2022) einen Actionbound in der Wiesbadener Innenstadt. Dabei handelt es sich um einen smartphonegestützten Stadtrundgang, der zu ausgewählten Orten führt, an denen Fragen beantwortet und Aufgaben absolviert werden müssen. Er wurde entworfen von Susanne Claußen, die als Bildungsreferentin und Leiterin der Ev. Stadtakademie für das Ev. Dekanat Wiesbaden tätig ist.
Der Rundgang, der an der Ringkirche begann, führte über den Platz der deutschen Einheit, auf dem 2018 im Rahmen der Wiesbadener Biennale eine goldfarbene, fast 4 m hohe Statue des türkischen Ministerpräsidenten R. T. Erdogan aufgestellt wurde, die nach tumultartigen Szenen von Polizei und Feuerwehr nachts vorzeitig abtransportiert wurde. Von dort ging es entlang der Schwalbacher Straße zur Gedenkstätte der alten Synagoge am Michelsberg. Hier erfuhren die Jugendlichen etwas über den schrittweisen Raub aller Rechte der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus sowie über die ehemalige Synagoge, die am 9./10. November 1938 in Brand gesteckt wurde. Vorbei an der altkatholischen Friedenskirche mit zahlreichen Informationen zur Religionsfreiheit führte der Weg zur ehemaligen Kinderbewahranstalt, in der Waisenkinder und Kinder, um die sich niemand kümmern konnte, lebten. Hier erfuhren die Jugendlichen Wissenswertes zum Thema „Kinderrechte“. Um kirchlichen Widerstand im Nationalsozialismus und um das Verhältnis von Kirche und Staat ging es an der Bergkirche, deren Pfarrer wichtige Vertreter der Bekennenden Kirche waren und damit im Gegensatz zu den Machthabern ihrer Zeit standen. Nach einem Abstecher in die Kapellenstraße mit ihren prächtigen Villen machten die Konfirmand*innen an der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung halt, bevor sie nach rund 90 Minuten an ihrem Ziel, der Wiesbadener Marktkirche, ankamen. Dort begegneten sie wieder Wilhelm dem Schweiger, mit dem sie an der Ringkirche begonnen hatten. An dem Standort, an dem heute ein Denkmal von ihm steht, hatten 1848 die Bemühungen um Demokratie ihren ersten Höhepunkt.
Die Idee zu dem Bound hatte Stephan Da Re, Pfarrer der Wiesbadener Johanneskirche. Gemeinsam mit seinem Kollegen, Pfarrer Dr. Holger Saal von der Marktkirchengemeinde, machte er aus der Not vor dem Hintergrund explodierender Inzidenzzahlen eine Tugend und verlegte den ersten Teil des Konfi-Tages einfach nach draußen. „Wir sind sehr froh, dass das Wetter gehalten hat und wir auf diese Weise etwas darüber erfahren haben, dass Rechte und Freiheiten nicht selbstverständlich sind, wie der Blick in andere Länder zeigt“, so Da Re. Mit Blick auf die pandemiebedingte Abwägung unterschiedlicher Güter wie Freiheit vs. Schutz, Mobilität vs. Gesundheit u. a. äußerte Da Re wenig Verständnis für sogenannte „Spaziergänger“, Coronaleugner und „Querdenker“. „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Für mich heißt das, dass wir Menschen um ihrer Gesundheit willen schützen müssen und eben nicht tun und lassen können, was wir wollen“, so Da Re weiter. Dies rechtfertige die Einschränkung von Grundrechten, fordere aber auch deren Wiederherstellung, sobald es die pandemische Lage zulasse.
Nach einem Mittagssnack begaben sich die Jugendlichen mit Hilfe der App „finding j“ auf eine Reise in die Zeit Jesu, wo sie ebenfalls Fragen beantworten, Fotos machen und kreativ werden sollten. „Die Pandemie stellt auch an uns als Pfarrer hohe Anforderungen. Wir sind sehr froh, dass wir uns trotz einer sehr hohen Inzidenz auf diese Weise treffen und mit den Konfis arbeiten können“, so Saal. Dies sei auch für den Zusammenhalt in der Gruppe wichtig. Viel wichtiger sei aber, Kinder und Jugendliche gerade in diesen Zeiten zu begleiten und ihnen Unterstützung und Halt zu bieten, so Saal weiter.